Montag, Juni 04, 2007

Er spricht für die Statistiker dieser Welt...

... und hat die Statistiken noch nicht einmal selbst gefälscht. Traue nie einer Statistik, die du nicht... aber lassen wir das.

Michael Holmes von der Achse des Guten hat folgendes zur Gipfelkaffeeklatsch und dem Protest der Teetrinkenden zu sagen:
Sie sprechen für die Armen dieser Welt...
...und die können sich nicht wehren! Deshalb ist in diesen Tagen, in der sich die Gegner der Globalisierung als die Stimme derer ohne Stimme aufspielen, an die vielsagenden Meinungsumfragen zum Thema zu erinnern.
Ja, Statistiken sind gerne vielsagend, das macht sie als Mittel so beliebt. Fast hätte ich "beliebig" gesagt, doch dafür reicht meine VWL noch, daß ich solcherlei Geheimnnisse der Statistik nicht in der Öffentlichkeit ausplaudere. Also weiter im Text:
Marktwirtschaft und große Konzerne sind nämlich in den Entwicklungsländern beliebter als im reichen Westen, ja, am beliebtesten sind sie im armen Afrika.
Ist das so? Ich meine, muß das so? Ja oder nein?
Nein, die Globalisierungskritiker sprechen weder mit noch für die Armen dieser Welt - es sei denn, diese gehören zur Minderheit derer, die ihnen sagen, was sie hören wollen. Zwischen dem großen Rest und ihnen steht ein unsichtbarer Zaun. Ein Zaun, der länger, höher und sehr viel gefährlicher als das langweilige Ding ist, gegen das sie die nächsten Tage empört ihre Kochlöffel und Betonköpfe hauen werden. Man kann das ideologisch nennen. Jedenfalls ist es zum Erbrechen elitär.
Ein unsichtbarer Zaun ist nicht ideologisch, er ist allegorisch. Müden Witz beiseite, an dieser Stelle fragen wir uns, wer denn um Himmels Willen den "Armen dieser Welt" (die sicher nur in der "Dritten Welt" zu finden sein werden, meinetwegen noch hier und da in der zweiten, gelle?) das Megaphon in die Hand drückt, damit sie endlich unbefreit und mit eigener Stimme ihre wahrlich wirkliche Meinung jetzt und für immerdar in die Welt hinausposaunen? Wir ahnen es schon: die Statistik.

Der Rest des Beitrags besteht dann auch aus purer Quellenangabe, zitiert nach diesem und jenem. Exemplarisch hier ein paar Eindrücke.
Consistent with their support for globalization Africans have a positive view of global corporations. A very large majority (73%) favors large foreign countries coming into their country and setting up operations there.
"Consistent with their support for globalization"? Andersrum wird ein Schuh draus: Wer weder Arbeit noch Sozialstaat noch andere Möglichkeiten der Überlebenssicherung besitzt, wird sich freuen, wenn riesige Firmen aus anderen Nationen riesige Fabriken bauen - das nennt sich Globalisierung. Und wenn diese zum Überleben hilft, findet man die gut.

Africa is where respondents are most likely to say globalization is a “good thing” for their country (71%). Only nine percent say it is bad and 11 percent say neither. Oil-rich Nigeria is the most positive of the ten countries pollled in Africa: 76 percent of Nigerians call globalization good.
Da fragt man sich, warum gerade in Nigeria derart viele Globalisierungsfans leben, und findet die Antwort im Text - wow.

Schön übrigens, daß Holmes uns das einleitende Fazit des ersten Berichts unterschlägt: "Poll Finds Africans Favorable Toward Globalization, But Think Rich Countries Are Not Treating Them Fairly". Auch schön zu wissen: "The study was sponsored by the World Bank and the Royal African Society." Zum Glück und Göttinseidank ist es ja nicht so, daß derlei Umfragen erhöhte Rücksicht auf die Auftraggebenden nehmen müssen. Und mitnichten kann es so sein, daß die Fragen auch nur den klitzekleinsten Hauch suggestiv gewesen sein könnten oder wollten. Da dies unmöglich sein könnte (da nicht sein kann, was nicht sein darf), haben die lieben Leut' von "World Public Opinion dot Org" den Umfragebogen nicht veröffentlicht. Wer mag es ihnen verübeln?

(Nachtrag und Einschub: Gerade bei Ja/Nein-Antworten ist es fast ein Ding der Unmöglichkeit, mit der Art der Fragestellung nicht bereits in die eine oder andere Richtung zu gehen. Zudem tendieren die meisten Menschen zu positiven Antworten - es ist also von Vorteil, die Frage so zu stellen, daß die vom Umfragenden präferierte Antwort diejenige ist, die mit "Ja" zu beantworten ist. Wer beispielsweise fragt "Finden Sie die Globalisierung gut?", kennt die Tendenz der Antworten bereits im Vorfeld. Ein weiterer Faktor sind die Fragestellenden - es sind andere Ergebnisse zu erwarten, wenn die Umfrage von blondierten Typen in Nadelstreifen durchgeführt wird. Unter anderem, weil die Erfüllung von Erwartungen durch die Beantwortenden eine Rolle spielt. Et cetera, et cetera.)

Abschließend:
Never trust to general impressions, my boy, but concentrate yourself upon details. (Sherlock Holmes)


Soviel hierzu von JT Firefly, der weder die Globalisierung für etwas auch nur annähernd neues hält, noch wirklich ein Gegner derselben ist. Nur wenn es um Statistik geht, da wird er vorsichtig.

5 Kommentare:

  1. Per Statistik die Illegitimität der Anti-G8-Proteste erklären zu wollen ist schon etwas gewagt, aber der berechtigte Hinweis auf Ethnozentrismus und Selbstzweck der tapferen Attac-Recken, Antiimps und "Schwarzen Blockler" hinzuweisen ist nicht nur richtig, sondern auch nötig. Der Weg ist hier weder das Ziel noch führt er in selbiges. Für deine pointierte Auseinanderstzung und den gepflegten Skeptizismus: 8.

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  2. Sehr fein. Nett in dem Zusammenhang auch der ständig wiederkehrende -empörte- Hinweis im TV, dass sich unter den Demonstrierenden so viele Ausländer befinden würden. Das ist schon die Höhe, wenn nich nur schlechte Deutsche gegen einen international besetzten Gipfel protestieren...

    Allemange - huit points!

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  3. Tja, das Leid mit den Statistiken.

    Da kann ich mich wirklich nur noch anschließen:

    8 Punkte

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