Mittwoch, Juni 06, 2007

Die "anderen" "bunten" Globalisierungsgegner

Europas Sprachen und Kulturen stehen unter starkem Globalisierungsdruck. Sie verlieren weltweit an Geltung und werden in zunehmendem Maße von angloamerikanischem Sprach- und Kulturgut beeinflußt. Dies führt zu einem Identitätsverlust der betroffenen Völker und Volksgruppen.
So beginnen die sprachpolitischen Leitlinien des Verein Deutsche Sprache e.V. (oder kurz: Verein e.V.). Fuck die "Dritte Welt", die Globalisierung ist der Feind der deutschen Sprache, und damit "der Deutschen", und damit ist es eben auch: dein Feind. Dein worst nightmare.

Immer mehr Sprecher und Schreiber in Europa übernehmen angloamerikanische Wendungen in ihren Sprachgebrauch. Diese Entwicklung ist nicht nur eine Modeerscheinung - sie schwächt vielmehr auch die sprachliche und kulturelle Eigenständigkeit der europäischen Länder bis hin zur politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Abhängigkeit Europas von den USA.
Walter Tango Foxtrott?! Die armen Frühstückswürstchen aus Great Britain werden kochen vor Haß, wenn sie bemerken, wie die USA sie sprachlich abhängig machen - und der ganze Rattenschwanz an Abhängigkeiten der dieser sprachlichen Abhängigkeit... nun, abhängt. Und ganz nebenbei haben wir einiges über die Hauptmotivation des Verein e.V. erfahren - der Feind ist der große Satan.

Die Geringschätzung der Muttersprache, der Mangel an Sprachloyalität gefährden in diesen Ländern die Funktion der Sprache als gesellschaftliches Verständigungsmittel.
"Sprachloyalität"? Was zur Hölle ist "Sprachloyalität"? Naja, gut, es geht schließlich gegen die USA (VSA?), da ist jedes Mittel recht, selbst die Feststellung eines Mangels an einer im Vorübergehen erfundenen Sache. Beim Verein e.V. muß man leider einen Mangel an Hirnloyalität bemerken.

Der Wortschatz einer Kultur, mitunter ihr genokultureller Code genannt, ist von jeder Generation neu zu entschlüsseln und zu deuten.
Newsflash, bullshitters: genau das passiert.

Neuesten Studien zufolge ("PISA" 2001/2002) handelt es sich dabei um ein spezifisch deutsches Sprach und Bildungsproblem.
Bildungsproblem, meinetwegen? Aber ein spezifisch deutsches Sprach? Hier ist sicher Sprech gemeint.

Wir sehen unsere Einschätzung und die aus ihr folgenden Forderungen bestätigt durch die "Allgemeine Erklärung der UNESCO zur kulturellen Vielfalt", beschlossen auf deren 31. Generalkonferenz am 2. November 2001:
Nach dieser Erklärung soll "jeder die Möglichkeit haben, sich selbst in der Sprache seiner Wahl auszudrücken und seine Arbeiten zu erstellen und zu verbreiten, insbesondere in seiner Muttersprache." In den zugehörigen Leitlinien für den UNESCO-Aktionsplan werden u. a. folgende Forderungen erhoben:
"(5) Erhaltung des sprachlichen Kulturerbes der Menschheit und Unterstützung der Ausdrucksformen, des Schaffens und der Verbreitung in einer höchstmöglichen Anzahl von Sprachen.
(6) Förderung der sprachlichen Vielfalt bei Respektierung der Muttersprache auf allen Bildungsebenen (...)."
Noch ist mein "Verein gegen deutsche Sprache" (zur Durchsetzung des Denglischen als offizielle Amtssprache in Deutschland und meinetwegen auch Österreich) nicht gegründet. Bis dahin: shut the fuck up.

Doch, was reg ich mich auf, noch mal Glück gehabt:
Wir fordern nicht, daß das Deutsche grundsätzlich von Amerikanismen und Anglizismen freigehalten oder vor ihnen "geschützt" werden soll. Das Deutsche ist wie viele andere Sprachen Europas eine Mischsprache. Auch ihr Wortschatz läßt sich durch Wörter und Wendungen aus anderen Sprachen mitunter bereichern.
Wenn das nicht eure Forderung ist, was dann? Vielleicht sollte mal das eigene Sprachverständnis überdacht werden?

Und was macht der Verein e.V. im Tagesgeschäft? Beispielsweise hiermit:
Die Aktion „Lebendiges Deutsch“ sucht ein hübsches deutsches Wort für die happy hour, die Stunde, in der viele Lokale verbilligte Getränke anbieten.
Wer hat's erfunden? Oh, ja - das Wort stammt vom Feind.

Aktion "Lebendiges Deutsch"? Eher Aktion "Reaktionärer Stumpfsinn":
1. Unter den 942 Vorschlägen für das Suchwort des Vormonats, smalltalk, hat sich die Jury für Plauderei entschieden.
2. Die Aktion „Lebendiges Deutsch“ empfiehlt künftig statt deadline einfach Termin zu sagen.

Whoa - "Plauderei" als Alternative für "smalltalk"? No shit. Aber "Termin" für "deadline"? Duuuuude! Sich über unnützen Einsatz englischer Worte aufzuregen ist das eine (reaktionär), aber Worte, die keine Entsprechung in der "Gastsprache" haben, durch Worte ersetzen zu wollen, die eine breitere Bedeutung haben, ist das andere (überflüssiger und dümmlichster Mist):
Typ 1: "Ich habe heute zwei Termine."
Typ 2: "Mann, bist du im Streß!"
Mein Vorschlag: Todeslinie. Really, das paßt zur Deutschsprach.

Nun dürfte sich die Leutchen von Verein e.V. und Aktion "Lebendiges Deutsch" gerne mal überlegen, warum verdammich das Englisch überhaupt eine derart präsente Position in der deutschen Sprache eingenommen hat. Kulturelle Minderwertigkeit der USA (VSA?)? Yeah, right... doch genug davon.

Fazit: Bei diesem gebündelten Krampfsprech gibt es nur eine Lösung: den Internationalen Day des Denglish! Mein Vorschlag wäre der 4. Juli - um die armen Britains noch mal zu treten, wo sie gerade am Boden liegen. Mitmachen? Yeah!

15 Kommentare:

  1. Und dabei haben die Amis bei uns so wohlklingende Worte wie: Blitzkrieg, Waldsterben oder Führer geklaut.

    Das kitzelt schon was mehr aus mir raus:
    9 Punkte

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  2. ich mach am 4th of july mit, wenn ich dran denke.

    zwar einfache zielscheibe, trotzdem nine points, wie auch für deine statistikkritik, bin nur zu faul noch mehr kommentare zu schriebseln

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  3. Jaja die Sprachkulturdebatte. Im übrigen hat sich Kurt Tucholsky über den Trend in den 20ern lustig gemacht ins Weekend zu fahren - nun man sieht - doch alles Mode, denn die meisten fahren wieder ins Wochenende (wobei ich mich frage, wo die Wochentage überhaupt so räumlich liegen). Im übrigen gibt es schon die Entsprechung für die happy hour im Deutschen - das Freibier - weil halbe Sachen machen "die Deutschen" nicht, ob jetzt bei Getränkepreisen oder nationalistischen Bewegungen.
    Auch von mir 9 Punkte.

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  4. Beim "Identitätsverlust der betroffenen Völker und Volksgruppen" gibt es in Deutschland auch keine halben Sachen, wenn man mit Identitätsverlust die Auslöschung der Persönlichkeit meint, aber das nur am Rande...

    Whoa, schon viel zu spät. Gute Nacht.

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  5. Auf den Internationalen Day des Denglish komme ich jedenfalls back, so viel ist sure.

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  6. nice nine points from meeeeeeee...

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  7. Alles ganz kühl, aber der letzte Pfiff fehlt. 8

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  8. Perfekt! Leider ist die Ironie, dass das Fremdwort "deadline" einfach durch ein anderes Fremdwort aus einer weiteren Imperialistensprache ersetzt wurde ("Termin" entstammt dem Latein), nicht hervorgehoben wurde, darum von mir nur mickrige 9 Punkte.

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  9. PS: habe den Internationalen Day des Denglish schon mal vorauseilend in meiner Gedenkstätte 2.1 eingetragen

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  10. Am 4.07. bin ich wohl auch dabei!

    Therefore, 10 (TEN) Punkte.

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  11. @Henry: Die Römer (ebenso wie die Französen) sind aber nicht die Amerikaner. Selbst die Briten sind nicht die Amerikaner. Uh. Wha?

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  12. Einfache Zielscheibe, das mag sein. Aber herrlich in der Ausführung! "Termin" für "Deadline" ist genauso unpassend wie "Plauderei" für "Smalltalk". Mangelnde Hirnloyalität (hehe) ist die treffende Bezeichnung für den Schmu, den dieser Verein produziert. Ganz klar 9 Punkte.

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  13. In einem Punkt stimme ich mit Dir überein: Die "anderen Globalisierungsgegner" sind in der Tat ein bunte Truppe, zumindest was die Promis im Verein Deutsche Sprache anbetrifft. Sie reichen von Angela Elis, Peter Hahne, Dieter Hallervorden, Hape Kerkeling und Matthias Matussek über Achim Reichel, Reinhard Mey, Gunter Sachs, Wolf Schneider, Bastian Sick bis zu Dieter Wedel und Ze Do Rock.

    Aber sonst? Die "sprachpolitischen Globalisierungsgegner" vereint bei aller Verschiedenheit, dass Deutsch über bloße Kommunikation hinaus (das ließe sich notfalls auch auf Denglisch machen) eine tradierte Kultursprache ist, die wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen sollten. Ohne ein Mindestmaß an sprachlicher Identifikation kommt kein Gemeinwesen auf Dauer aus. Die derzeitige Denglischtümelei auf fast allen Kommunikationsebenen läuft letztlich auf eine sprachliche Fremdbestimmung hinaus - ein Aspekt, der von "echten Globalisierungsgegnern bislang sträflich vernachlässigt wurde.

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  14. @Leon: Danke für deinen sachlichen Kommentar. In keinem Punkt stimme ich mit dir überein. Fortsetzung des Beitrags folgt - in einem neuen. Und in Kürze.

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  15. om net eerlik te wees: daai artikel is baie lang - jammer tè lang. op die hander hand is dit mooi jy het my gewys ek hê die règt om myself in watter taal ekself verkies uit te druk en te werk, maak nie eens saak of ek daardie taal spreek of nie!
    jammer is ek net 'n bietjie bang om op skool in afrikaans te gaan lesgeef. moenie denk wat gebeur als jy in duitse skole opstande oor die taalbelyd gaan kryg - dit kan dalk angela merkel s'n baan kost.
    vir daai artikel 10 punte!

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