Samstag, Dezember 23, 2006

Es köhlert sehr

Bundespräsident Köhler hebt in seiner Weihnachtsansprache die Verantwortung des Einzelnen für die gesamte Gesellschaft hervor. GREASEPAINT MUSTACHE dokumentiert die Rede im Sinnlaut.

Meine Damen und Herren, liebe Unterschicht,
meine Frau und ich wünschen Ihnen frohe und gesegnete Weihnachten. Es war ein gutes Jahr für manche. Die Fußball-Weltmeisterschaft war kein Märchen. Sie zeigte eine fröhliche und tüchtige Nation, und die ganze Welt hat sich mit gefreut, als diese dann Weltmeister wurde. Da bleibt etwas. Zum Beispiel der Müll auf den Straßen.
Die Zahl der Arbeitslosen geht endlich zurück, nicht zuletzt dank des Mülls auf den Straßen. Die Investitionen der Unternehmen steigen, und das ist wohl gut. Unsere Produkte, Made in China, sind weltweit gefragt, und die Reformen der vergangenen Jahre beginnen zu greifen. Die Mühe hat sich gelohnt. Die da unten wissen endlich, dass sie selber ihr Schicksal zu verantworten haben.

Viele haben zu der guten Entwicklung beigetragen. Ich danke allen herzlich dafür, auch mir und meiner Frau. Der Aufschwung gibt uns Rückenwind. Nutzen wir die Chance, unser Land nachhaltig einzurichten auf die Herausforderungen der Zukunft. Im Windschatten der Unterschicht kann die Mittelschicht beherzt den Radfahrer geben.

Arbeit zu schaffen für die Menschen in Deutschland - das bleibt für mich die wichtigste, die heiligste Aufgabe. Das ist auch die entscheidende Antwort auf Armut und Ausgrenzung. Arbeit macht frei, das Leben aus eigener Kraft zu meistern und vermittelt Lebenssinn. Deshalb müssen wir alles tun, damit die jungen Menschen Zugang zum Berufsleben finden. Der Schlüssel dazu heißt: Gute Besserung für alle. Gesundheit! Und werden Sie bloß nicht krank!

Und wir sollten auch viel besser begreifen, welchen Schatz wir im Wissen und der Erfahrung der Älteren haben - nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch in unserer Gesellschaft insgesamt. Schauen Sie mich an - trotz Altersdemenz bin ich immer noch ein wertvolles Mitglied dieser Gesellschaft, wie mein Lohnscheck Monat für Monat beweist. Und ich habe sogar ein Schloss!

Deutschland ist keine Insel. Das Boot ist voll. Wir stehen in einem internationalen Qualitätswettbewerb, der alle Bereiche unseres Zusammenlebens betrifft: Welcher Nation gelingt es am besten, die schöpferischen Kräfte ihrer Menschen zu wecken? Wie offen ist eine Gesellschaft für Neues? Was bietet sie jungen Familien? In welchem Land gibt es die besten Schulen und Hochschulen? Wie gut gelingt das Miteinander von Einheimischen und Zuwanderern? Warum bleiben Sie noch hier?

Das alles hängt auch von politischer Gestaltung ab. Deshalb geht es bei diesem Wettbewerb auch um die Qualität von Politik. Gute Politik - das heißt zunächst einmal Aufrichtigkeit bei der Einschätzung unserer Stärken und Schwächen. Das heißt Mut, sich Ziele zu setzen und sich daran auch messen zu lassen. Und das heißt Stetigkeit und Stimmigkeit im Handeln. Das alles dürfen wir vergessen. Wo war ich?

Aber wir dürfen nicht erwarten, dass es immer ohne Streit abgeht. Fairer Streit um die Sache und das Ringen um vernünftige Kompromisse sind in der Demokratie unerlässlich. Und wer könnte besser zwischen den Menschen in Deutschland vermitteln und tolle Kompromisse herbeizaubern, als die deutsche Wirtschaft?

Alle, die sich in diesem Sinne engagieren, verdienen Vertrauen und Wertschätzung. Deshalb bitte ich Sie: Machen Sie mit, dass neues Vertrauen entstehen kann. Oder noch besser: vertrauen Sie blind.
Unser Land ist im Umbruch. Und da liegen Erfolg und Misslingen oft eng bei einander, wie der Müll auf der Straße. Freuen wir uns über Erfolge. Die verdienen Anerkennung. Und reichen wir denen die Hand, die Misserfolg haben, damit sie sich wieder aufrichten. Doch "Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott" ist oberste Devise. Wo kämen wir denn hin?

Deutschland - das sind wir alle. Nicht, dass Sie eine Wahl hätten. Lassen Sie uns gemeinsam auf unsere freiheitliche Demokratie hab acht geben. Vergessen wir nicht unsere Verantwortung im Kleinen. Sie ist Teil der Verantwortung für das Ganze. Fühlen wir uns zuständig für Deutschland, fühlen wir uns aber auch zuständig für den Müll auf der Straße. Es ist unser Land; ein Land, in dem es sich zu leben lohnt. Ich kenne kein schöneres. Aber ich lese auch keine Zeitung und fahre im Urlaub nur nach Sylt oder Mallorca, genau wie Sie.
Weihnachten ist das Fest der Familie. Ich möchte deshalb heute ganz besonders die Familien in unserem Land grüßen - vor allem diejenigen, die in diesem Jahr ein Kind bekommen haben oder eines erwarten. Ich weiß um die Sorgen, die damit zusammenhängen können. Doch Deutschland braucht Leute wie Sie! Wollen Sie einen Orden?

Aber ich kenne auch das Glück und die Zuversicht, die die Geburt eines neuen deutschen Erdenbürgers bedeuten. Ich freue mich mit allen deutschen Eltern. Und ich wünsche mir, dass unsere ganze Gesellschaft entschieden "Ja" zu Kindern sagt. Damit die Blagen, wenn erwachsen, auch so richtig doll verwöhnt sind.

Die Weihnachtsgeschichte, wie sie in der Bibel überliefert ist, beschreibt alles andere als eine heile Welt: Maria, gerade aus heiterem Himmel Mutter geworden, und Josef finden nur in einem Stall Unterkunft; Maria kann ihr Neugeborenes nur auf Stroh betten; und dann muss die die Familie vor einem mörderischen Tyrannen fliehen. Es ist wahrlich keine heile Welt, in der die Weihnachtsgeschichte sich ereignet. Aber mit dieser Geschichte ist eine ganz neue Hoffnung in die Welt gekommen. Diese Hoffnung wünsche ich heute vor allem denen, die einsam oder krank sind, die keine Perspektive mehr sehen. Meine Gedanken sind bei Ihnen. Und denken Sie dran: eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr... Also, alles halb so wild mit der Armut.

Ich denke heute auch an die Frauen und Männer, die Weihnachten nicht mit ihren Lieben feiern können, weil sie auch an diesem Abend an den unterschiedlichsten Orten für ihr Vaterland im Einsatz sind. Mein herzlicher Weihnachtsgruß gilt besonders den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die sich fern der Heimat für unser aller Sicherheit und Freiheit und Wohlstand und Ressourcen einsetzen. Welch größerer Dienst könnte Deutschland gebracht werden? Ihnen allen danke ich herzlich!

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ich wünsche Ihnen, dass Sie Gelegenheit haben, über die Feiertage ein wenig auszuspannen und neue Kraft zu schöpfen, denn die werden Sie brauchen - der Müßiggang ist schon fast wieder vorbei. Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes und erfolgreiches Neues Jahr! Seien Sie fleißig und vertrauensseelig.

Ihnen Ihr
Hotte

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