Mittwoch, November 15, 2006

Bürgerentscheidung!!?

Sind Sie für den Verzicht auf das geplante Ausstellungs- und Veranstaltungsgebäude am Aachener Katschhof, das so genannte "Bauhaus Europa"?
Mit diesen flinken Worten beginnt das "Abstimmungsheft der Stadt Aachen zum Bürgerentscheid". In Wahrheit jedoch ist es eine Loseblattsammlung. Und es wird nicht "für den Verzicht", sondern gegen das "Bauhaus Europa" abgestimmt. Zudem wird hier fälschlich suggeriert, man könne nur gegen und nicht für das Bauhaus Europa stimmen.
Welche Abstimmungsräume barrierefrei zu erreichen sind, kann im Bereich Wahlen unter der Ruf.-Nr. 432 1209 telefonisch erfragt werden.
Man freut sich schon auf die offiziell ausgerufene Straßenschlacht. Damit wären alle Formalia geklärt (nur: was kürzt sich "Ruf." ab?). Außer:
Abstimmungshandlung und Stimmenzählung sind öffentlich.
Sagt mir: Um nach meiner Bauhaus-Zustimmung noch lebend den Raum zu verlassen, sollte ich die Bewaffnung nicht vergessen. In anderen Worten: gehst du zum Wählen, vergiß die Vorderschaftrepetierflinte nicht.

Den Reigen der Pro- und Kontrastimmen eröffnen Darius Dunker, Dr. Michael Schiek, Wolfgang Weißhuhn "u.v.a." von der "Bürgerinitiative »Bauhaus Europa? Nein danke!«". Also bitte:
Der Aachener Katschhof verdankt sein Flair dem Gegenüber von Rathaus und Dom. Die Gebäude seitlich treten in den Hintergrund. Das »Bauhaus Europa« würde dieses Ensemble durchbrechen. Mit seiner riesigen Glasfassade würde es wie ein überdimensionierter Fremdkörper erscheinen.
Linksparteiwürdige Formulierung, das. Welcher aufrechte Deutsche hat keine Angst vor Überfremdung? Aber wissen die Verantwortlichen der Bürgerinitiative überhaupt, was ein architektonisches Ensemble ist? Da war wohl der Kitsch Vater des Gedanken. Die seitlichen Gebäude in den Hintergrund treten sieht man höchstens, wenn man strunzbetrunken über den Katschhof stolpert.
Wir, die Bürgerinnen und Bürger Aachens, könnten uns bei einem Verzicht auf das »Bauhaus Europa« jedes Jahr aufs Neue entscheiden, wie viel Geld wir für die Auseinandersetzung mit dem Begriff »Europa« und wie viel Geld wir für soziale Projekte, für kulturelle oder sportliche Aktivitäten oder für die Bildungsförderung und die Förderung von Vereinen ausgeben wollen.
Das riecht nach zahllosen weiteren Bürgerentscheiden, oder wie stellt die Bürgerinitiative sich das vor? Und wer zahlt dann für dieses offene Eingeständnis in das Scheitern des Projekts "Parlamentarische Demokratie in Aachen"? Ich für meinen Teil weiß jedenfalls jetzt schon, wieviel ich für die Förderung von Vereinen ausgeben möchte: weniger als nichts.

Die CDU-Fraktion als einzige stadträtische Kontra- (also Pro, siehe oben) Stimme des Zettelkonglomerats weiß mit bodenständigem Layout zu begeistern - Struktur, Schriftgrad, Zeilenabstand, hier stimmt einfach nichts. Kudos, CDU-Fraktion. Die Bürgerinitiative wirkt da weit professioneller, also bürgerferner.
Der geplante Entwurft passt nicht in die historische Aachener Altstadt. Mit seiner Glasfassade beeinträchtigt er die strenge Platzwirkung des Katschhofs und ist damit dem Ort nicht angemessen.
Dann, liebe CDU-Fraktion, ist ohnehin alles zu spät, wenn schon allein der Entwurf solch schröckliche Folgen hat. Aber ist schon recht, an der "strengen Platzwirkung" wollen wir nicht rütteln.

Ab jetzt gibt's fast nur noch Kontra-Pro, also ab dafür, ist ja genau mein Dingen.

Die SPD-Fraktion zeigt sich flippig:
Die Aachen und Europa gehören zusammen. Das wissen wir Aachenerinnen und Aachener.
Von die Aachen weiß ich nix.
Mehr als 60 Jahre Frieden und das gute Verhältnis zu den Nachbarn in den Niederlanden und Belgien verdanken wir Europa.
Nein, den Alliierten. Setzen, sechs.
Die Idee Europa muss immer wieder neu gedacht werden. Welcher Ort, wenn nicht Aachen, die Stadt Karls des Großen, der Krönungsort deutscher Könige und nicht zuletzt die Stadt des Karlspreises, könnte diese wichtige Aufgabe übernehmen!?
Die "Idee Europa" scheint eine deutsche zu sein, oder welch feuchten Kehricht gibt der Rest des Kontinents auf den "Krönungsort deutscher Könige"? Der (in Aachen übliche, ja virale) Bezug auf Karl den Großen steht dem vorher beschworenen "friedlichen Europa" diametral entgegen, hurz.
Es [das Bauhaus] ist ein Ort, wo wir Aachener uns selbst, unserer Jugend, unseren Gästen und Besuchern zeigen, wofür Aachen steht und wofür wir uns engagieren.
Lassen wir die plötzliche Disintegration der Aachenerinnen und die Raussubsumierung der Jugend aus der Aachener Bevölkerung mal außen vor, zeigt sich an dieser Passage deutlich, worum es der Aachener SPD in Wirklichkeit geht. Alles nur ein Mißverständnis, man muß die SPD-Fraktion nur darauf hinweisen, daß das Gebäude "Bauhaus" heißen soll, und nicht "Brauhaus".
Ergo ist die SPD eigentlich dagegen, also dafür. Weiter im Wust.

Die Aachener GRÜNEN sind für das Bauhaus Europa. Dafür gibt es gute Gründe.
Natürlich. Zum Beispiel:
Europa ist das Alternativmodell, auch zum amerikanischen Vorherrschaftsstreben.
Das mußte mal gesagt werden! Danke, "Aachener GRÜNE".
Und jetzt, wo der Pöbel sich im Freudentaumel ergeht, mal unter uns, "Aachener GRÜNE": wie kotzgranatendickdoof kann man eigentlich sein? Ja, das hab ich mir gedacht, ihr europahoch- und überschätzenden, geschichtsverdrossenen, antiamerikanischen, spätgeborenen Früh- und Früchtchen. (Ich übe mich hier, wie unschwer zu erkennen ist, in Contenance.)
100 Prozent der Kosten für den Bau und die Einrichtung werden vom Land und Sponsoren getragen.
Denn 4,5 von 21 Millionen sind, wir wissen es doch schon längst, Peanuts. Zumindest für die "Aachener GRÜNEN". (PS: Bitte nicht dauernd den eigenen Namen durch die Gegend schreien. Danke.)

Die FDP-Fraktion bleibt wie üblich weitestgehend farblos, und ist ergo in diesem Zusammenhang nicht weiter der Rede wert, aber dagegen, also dafür, wie schon SPD und Grüne. Die Linkspartei schließt sich vorbehaltslos an. Die "Aachener - Bürger - Liste" (huh?) ergeht sich in einer Kostenkalkulation, steht also auf Seiten der CDU und der Bürgerinitiative, hat aber ansonsten keine Meinung.
Die WASG stimmt mit ihrem "Ja" also "Nein" vermutlich der Linkspartei zu, hat aber leider Für und Wider verwechselt (wer könnte es ihnen übel nehmen?) und ist im Großen und Ganzen einer Meinung mit der CDU.
Der Oberbürgermeister der Stadt Aachen, Dr. Dr. Jürgen Linden, sieht es nicht ein, sich von der CDU - in welcher Weise auch immer - toppen zu lassen, und langt mit seinem Ekellayout in die Vollen: Riesenfont (16 und 14 Punkt), jedes dritte Wort fettgedruckt, Megakreise vor den einzelnen "Argumenten", etc.
Und dann das:
Wer nicht ständig versucht, besser zu werden, hört bald auf, gut zu sein.
Wer war wann wie gut? Aah, der Dr. Dr. OB meint sich selbst und seinen Elisenbrunnenslalom, hui!

Nach eingehendem Studium der Zettelwirtschaft ist man so schlau wie vorher, also nicht. Meine Entscheidung, bei der Abstimmung dagegen, also dafür zu stimmen, ist jedenfalls ins Wanken geraten. Vermutlich bleibe ich zuhause. Das würde dann CDU und WASG und Bürgerinitiative Nein/Ja freuen, oder auch SPD, FDP/Grüne und Linkspartei.

7 Kommentare:

  1. Kurz und knapp, alles wissenswerte zusammengefasst und treffend kommentiert.

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  2. Aber bitte was?
    Ich find die Kritik am Bauhaus so absurd, daß die Begründung für ein Bauhaus Europa dagegen fast rational und convincing rüberkommt. aber eben nur fast, gibt's acuh die Möglichkeit zu sagen: Bauhaus, ja bitte, aber in Eschweiler, Düren oder Timbuktu?

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  3. Bauhaus Voreifel in Stolberg, das wär's. Kann meinetwegen Milliarden kosten.

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  4. das werde ich bei der bevorstehenden Abstimmung mal ins Spiel bringen.

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  5. Besonders schön wäre es in der Tat, wenn das Projekt dann "Volksabstimmung" gekippt würde, da ja gerade DIE grünen und die SPD grpße Verfechter dieser Form von BürgerInnenbeteiligung sind. Aber die Hürde von 37.000 Gegenstimmen wird einfach zu groß sein und das ist dann wriklich konsequente BürgerInnenbeteiligung, nämlich an der Demonstartion der eigenen Machtlosigkeit. Zur Finanzierung des Bauhauses muß dann bestimmt jedeR AachenerIn ein Kopfgeld ind Höhe von 100€ pro Jahr berapppen, außer man kann nachweisen, daß man 52 mal in einem Jahr das Bauhaus besucht und so über den Eintritt sein möglichstes gegeben hat damit die Stadt weniger bankrott ist.

    Daß die Unterhaltskosten das beste Argument gegen das Bauhaus Europa sind, ist völlig klar. Aber bei den Kosten könntest Du, liebe Serenity, ja mit Deinem Pokergewinn von gestern Abend aushelfen. ;)

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  6. Für meiner einer ist das Kostenargument keines. Die Stadt finanziert pausenlos irgend einen Quark. Warum soll das Bauhaus da die große Ausnahme sein? Weil's solch große Beträge sind? Das bedeutet anschließend nur, daß Aachen weniger "Prestigeprojekte" finanzieren kann.
    (Nebenbei: lustig, daß der Pöbel nur versuchen kann zu entscheiden, wo das Geld nicht hingeht, so positiv die abzustimmende Frage auch formuliert ist. Würde es darum gehen zu entscheiden, wofür das Geld (das nicht da ist) verwendet wird, würde ich mich vielleicht bequemen, zur Abstimmung zu gehen.)

    Und ob da ein Hase oder Hasser oder whatever von den Grünen am Ende seine Politik durchdrückt oder nicht, deshalb mach ich mich noch lange nicht zum Helfershelfer der CDU. Die sind, glaub es oder laß es, auch nicht besser. Gleiches gilt für die "Linkspartei".

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